Woche 28: Leben in Jerusalem

Mein Lieblingsbild in dieser Woche: Der kleine Junge, der das Katzenbaby füttert

Am Montagabend gab es für uns nach dem Abendessen noch eine kleine Überraschung: Wir wurden von den Mönchen auf ein Eis eingeladen! So machten wir uns nach der Komplet auf den Weg zur Alrov Mamilla Avenue, kurz einfach nur Mamilla, eine Fußgängerzone mit Designermode und Schmuckboutiquen in restaurierten Steingebäuden, und genießten  die wunderbare Nachspeiße. Auf dem Rückweg zur Dormitio trafen wir auch Abt Nikodemus, der gerade aus Deutschland zurückgekommen war. Wieder zurück im Kloster haben wir uns noch mit den Volos und dem Abt in gemütlicher Runde zusammengesetzt, da Efra am nächsten Tag zurück nach Deutschland musste. Efra war seit Herbst 2022 bei uns als Volo, zuerst lange Zeit in Tabgha, wo wir uns kennen lernten, und dann auch in Jerusalem.

Während unserer Arbeit in dieser Woche durften (oder besser mussten ;) ) wir auch mehrmals hoch in die Rotunde der Kirche steigen, um verschiedenes Material in den vier Türmen zu verstauen. Der Aufstieg wird nach mehrmaligen Hoch- und Runtersteigen zwar schon anstrengend, besonders in den engen Wendeltreppen, aber der Ausblick von dort auf Jerusalem entschädigt diese Anstrengung auf jeden Fall.

Jerusalem von oben ist doch immer wieder was besonderes

Den Freitagnachmittag nahmen Elias, der zweite Klosterzeitler, und ich uns frei, um mit dem Bus hinter die Grenze nach Beyt Dschallah zu fahren, um dort an einer Diakonenweihe teilzunehmen. Die Mönche gaben uns den Tipp besser zur Busstation am Damaskustor zu gehen, da erfahrungsgemäß sehr viele Leute am Freitagnachmittag aufgrund des Shabbatbeginns diesen Bus nehmen werden. Wie sich herausstellte war das die absolute richtige Entscheidung: Der Bus war bereits am Damaskustor übervoll und wir mussten auch stehen, was aber so den Vorteil hatte, den wilden Stadtverkehr Jerusalems am Freitagnachmittag beobachten zu können. So kamen wir dann doch recht schnell zur Kirche in Beyt Dschallah, der Bus hält auch direkt davor, und hatten noch genügend Zeit, diese in Ruhe zu bewundern, bevor die Liturgie begann. Dafür kam sogar der Patriarch und zwei weitere Weihbischöfe. Da an diesem Tag das Hochfest Herz Jesu war und die Kirche auch diesem geweiht ist, war es also ein doppeltes Fest, was wir feiern konnten. Die Liturgie war weitestgehend auf Arabisch, nur einzelne Stellen wie die Predigt oder Teile des Hochgebets betete der Patriarch auf Englisch. Aber wir beide konnten dennoch der gesamten Liturgie folgen und waren uns einig, wie schön es ist, dass wir als Katholiken auf der ganzen Welt an der Messe wirklich aktiv teilnehmen können, auch wenn wir die Sprache nicht verstehen. Und es war einfach schön, auch einmal in einer Messe einer arabischen Gemeinde dabei zu sein und mit ihnen zu feiern. Musikalisch hatten sie auch einiges zu bieten: Während der Messe sang ein Chor wunderschöne Lieder und im Anschluss an die Liturgie wurde der Diakon von Pfadfindern empfangen und es folge eine kleine Prozession in den Garten des Priesterseminars, wo die anschließende Feier stattfand. Wir machten uns anschließend wieder auf den Rückweg zur Grenze. Dabei verliefen wir uns erstmal, dem wir aber auch etwas Gutes abgewinnen konnten, da wir so auch einmal die "normale" Seite der Bevölkerung ein wenig kennenlernten, abseits von den bekannten Pilgerwegen. Nach der Grenze ging es mit dem Bus wieder zurück ins Herz Jerusalems und zur Dormitio.

Kirche zum Heiligsten Herzen Jesu in Beyt Dschallah
Ein paar Eindrücke von der Liturgie...
...und von danach
Ein paar Eindrücke aus der West Bank


Am nächsten Tag stand auch schon der nächste Ausflug an, diesesmal mit der deutschen Community hier in Israel. Dafür machten wir uns vormittags auf den Weg nach Deir Rafat zum Kloster der Bethlemsschwestern und zur Kirche Unserer Lieben Frau von Palästina. Nachdem wir dort in der kleinen Kapelle der Schwestern Messe gefeiert hatten, führte uns der Weg weiter zum direkt daneben gelegenen Weingut, in dem wir uns mit Wein und Käse unter einem Dach von Weinreben und mit herrlicher Aussicht stärkten. Anschließend machten wir uns auf zur dritten und letzten Station unseres Ausflugs: Zum Tel Azeka, der Gegend, an der die Geschehnisse rund um David gegen Goliath mit hoher Wahrscheinlichkeit stattgefunden haben. Einer der Gemeindemitglieder studiert in Tel Aviv Archäologie und gab uns einige interessante Einblicke in die hier stattfindenden Ausgrabungen und was man dabei gefunden hat. Eines der wichtigsten Funstücke, welche man an einem weiteren Tel (= Hügel) entdeckt hat, war eine Scherbe, die von der Belagerung und der Zerstörung der Anlage auf dem Tel Azeka berichtet.

Die Kirche zu Unserer Lieben Frau von Palästina
Weingut direkt neben dem Kloster
Die Aussicht vom Tel Azeka

Die Klagemauer
mal von einer
anderen Perspektive

Da wir erst um 11 Uhr Messe haben, nutzte ich den Sonntagvormittag, um den Tempelberg zu besichtigen. So machte ich mich nach der Laudes mit Lukas, einem Klosterinteressenten, auf den Weg dorthin, in der Hoffnung, dass noch nicht zu viele Touristen die gleiche Idee hatten, glücklicherweise war es dann relativ leer und ich musste an den Sicherheitskontrollen nicht anstehen. Leider kann man als Nicht-Muslim nicht in den Felsendom hinein, aber dieses tolle Bauwerk mit seiner bunten Fassade endlich auch einmal aus der Nähe zu betrachten war schon beeindruckend. Besonders imposant fand ich auch, wenn man sich vorstellt, dass sich hier zumindest zu den Freitagsgebeten im Ramadan mehrere tausend Leute auf dem Platz versammeln, um am Gebet teilzunehmen. Wir verließen den Tempelberg auf der Nordseite und besuchten noch die Veruurteilungs- und Geißelungskapelle, die am Rückweg zur Dormitio liegen. Diese beiden Kirchen bilden auch den Startpunkt der Via Dolorosa, auf der jeden Tag viele Pilger im Gedenken an den Kreuzweg Jesu betend zur Grabeskirche gehen und dadurch Anteil an seinem Leid und seiner Hingabe nehmen. Nur ein kleines Stück weiter kamen wir auch noch an der Ecce Homo-Basilika vorbei. Diese gehört zum franz. Kloster Notre Dame und wir konnten das Kircheninnere leider nur durch eine Glasscheibe begutachten.

Der Felsendom
Geißelungs- und Verurteilungskapelle und Ecce-Homo-Basilika

Am Sonntagnachmittag gab es auch noch einen kleinen Ausflug ins Österreischische Hospiz. Ein wirklich starker Kontrast zur Altstadt Jerusalems, den ich euch nicht vorenthalten möchte: Ein Stück Österreich mitten im Herzen Jerusalems.

Grüß Gott im Österreischen Hospiz



 Als ich Sonntagsabend nach der Komplet noch einen Spaziergang um die Altstadt machte, gab es noch eine kleine Überraschung: Für gewöhnlich gehe ich immer über einen muslimischen Friedhof an der Mauer entlang, musste aber am Ende feststellen, dass das Tor geschlossen war und auch Soldaten davor standen. Also kehrte ich zurück zum Eingang, nur um dort von einigen Soldaten mit doch sehr rauem Ton angesprochen zu werden, was ich dort drin suche und wie ich dort überhaupt hineingelangt bin. Nachdem ich dann außenrum gegangen bin und mir das ungewöhnlich hohe Polizei- und Armeeaufkommen aufgefallen ist, konnte ich am Löwentor auch den Grund dafür erkennen: Ein langer Zug von Juden bahnte sich mit viel Gesang und lauter Musik seinen Weg durch das Löwentor. Einer der Soldaten konnte mir freundlicherweise weiterhelfen: Die Juden feiern Rosh Codesh, den Beginn des neuen Monats Tammus. Warum sie dafür ausgerechnet durch das muslimische Viertel ziehen müssen, was ich für mich doch auch als kleine Provokation einstufen würde, wird wie so vieles in dieser Stadt und in diesem Land wohl immer ein Rätsel bleiben.

 Zum Abschluss möchte ich euch aber noch zwei kleine "Freunde" vorstellen, die das Leben hier in Jerusalem auf jeden Fall noch ein wenig schöner machen: Wie in Tabgha gibt es auch hier eine Klosterkatze, die mit den Mönchen mehr oder weniger mitlebt (ich glaube, sie ist einfach zugelaufen und wurde dann mit der Zeit einfach Teil der "Gemeinschaft"). Sie kommt auch fast täglich zum Mittagsgebet, das wir augrund der noch andauernden Renovierungsarbeiten im Garten verrichten, und "betet" auf ihre Weise fleißig mit. Außerdem haben sich auf dem Bereich des Klosterfriedhofes auch zwei Schildkröten gemütlich gemacht, die man immer wieder mal auch außerhalb ihrer Verstecke herumkriechen sieht.

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